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Introducing: Moviegalaxies

In meiner neuen kleinen Reihe „Introducing“ möchte ich jeweils kurz auf Fundstücke aus dem Web aufmerksam machen, auf die mein Interesse gestoßen ist. Als erstes möchte ich moviegalaxies.com vorstellen. Die Seite widmet sich Filmen, indem sie alle in ihnen auftauchenden Personen in einem Sozialen Netzwerkgraph repräsentiert. Dabei ergeben sich teilweise sehr charakteristische Muster, an denen sich einiges zur Gestalt eines Films ablesen und wiedererkennen lässt.

Welche Bedingungen genau erfüllt werden müssen, damit eine Verbindung zwischen zwei Personen registriert wird, ist nicht ganz klar. Die Betreiber der Seite möchten diese „secret sauce“ gerne für sich behalten. Ich vermute, dass das Kriterium für die Verknüpfung zweier Charaktere im Graph deren gemeinsames Auftauchen in einem Bildausschnitt, deren Interaktion oder ähnliches ist.

In jedem Fall ergeben sich interessante Möglichkeiten in das Universum eines Films einzutauchen und dessen soziale Strukturen zu rekapitulieren. Besonders spannend ist es aber, Filme miteinander zu vergleichen. Mit Hilfe einiger Maße aus der Sozialen Netzwerkanalyse können sogar objektive Unterschiede herausgearbeitet werden. So zeigt der Netzwerkgraph des Films „Traffic“ eine sehr hohe „Average Path Length“ (3,54), also die durchschnittliche Anzahl von Ecken, mit denen zwei Charaktere im Film miteinander verbunden sind. Obwohl ich den Film nie gesehen habe, wird mir relativ schnell klar, dass es sich um eine Reihe separater Handlungsstränge handeln muss, die nur durch die Interaktion weniger Personen zusammengeführt werden. Und tatsächlich: Bei Wikipedia steht: „Traffic – Macht des Kartells zeigt auf drei Erzählebenen den Kampf der Regierung, der Polizei und des Militärs gegen Drogen. Die Handlungsstränge sind eng miteinander verwoben, obwohl sich die Figuren der verschiedenen Ebenen fast nie begegnen.“

Im krassen Gegensatz dazu stehen Filme wie „Forrest Gump“ oder „The Big Lebowski“, bei diesen liegt die „Average Path Length“ jeweils unter zwei (1,99 bzw. 1,92). D.h. fast alle Figuren sind über nur eine Ecke miteinander verbunden. Logischerweise ist das jeweils der zentrale Charakter des Films, also Forrest bzw. der Dude. Unterscheiden lassen sich die beiden Filme insbesondere hinsichtlich der von ihnen erzählten Zeit. Während die Handlung von Forrest Gump mindestens einige Jahrzehnte umfasst, wollte der Dude nur seinen Teppich zurück. Sein soziales Netzwerk ist folglich deutlich kleiner, aber dafür dichter als bei Forrest. So gibt die Density den Anteil der tatsächlichen Verbindungen an allen möglichen wieder. The Big Lebowski kommt hier auf einen Wert von 0,11, Forrest Gump auf 0,06. Bei Traffic liegt die Density gar nur bei 0,04.

Es geht aber noch stärker verwoben: Mit einer Density von 0,28 wird in Tarantinos Film „Reservoir Dogs“ eine äußerst hohe Netzwerkdichte zur Schau gestellt. Verständlich, wenn man bedenkt, dass bereits in der ersten Szene alle in den Überfall des Diamantenhändlers verwickelten Gangster an einem Tisch im Restaurant die berühmte Trinkgelddiskussion führen. Der Clustering Koeffizient (die Wahrscheinlichkeit, dass zwei mit einem dritten verbundenen Charaktere auch untereinander verbunden sind) liegt bei stolzen 0,71. Insgesamt scheinen Geschichten die in einem begrenzten Zeitraum an wenigen Orten spielen hier deutlich höhere Werte aufzuweisen als solche die viele Handlungsorte und Zeitpunkte umfassen, wie beispielsweise Pearl Habour (0,34).

Durch die Verbindung von Sozialer Netzwerkanalyse mit dem Thema Film ermöglicht moviegalaxies.com  tolle Einsichten in die soziale Struktur von Filmen. Man kann dort ziemlich schnell die Zeit aus den Augen verlieren. Noch befindet sich die Seite im Aufbau, so dass ständig neue Filme hinzukommen oder neue Features ergänzt werden. Ein Besuch lohnt sich nicht nur für Filmfreunde und ist besonders spannend, wenn man sich zunächst selbst Gedanken über einen Film macht und diese dann anhand der Graphen testet.

von Tobias Wolfanger